36. Berliner Halbmarathon (und der NRC)

Ich hatte es ja gestern schon erwähnt, aber heute nochmal mit erhobenen Haupt und nach dem Halbmarathon: der Blog hat das Ende seiner Daseins-Berechtigung erreicht. Bevor ich nun meine Eindrücke hier niederschreibe und die beste Pacerin der Welt vorstelle, möchte ich die Gelegenheit nutzen hier zu sagen wie es mit meinem Blog weitergeht.

Die Zukunft des Blogs

Nach dem Halbmarathon ist vor dem nächsten Wettkampf, richtig? Trotzdem möchte ich einen klaren Schnitt machen und auf eine neue Domain umziehen. Die Inhalte dieses Blogs bleiben weiterhin bestehen, allerdings habe ich vor mit dem Blog 2.0 einen neuen Blog zu eröffnen und diesen vielleicht leicht abzuändern. Den Titel habe ich mir noch nicht ausgedacht, aber nähere Infos mit dem Link zu dem neuen Blog folgen die nächsten Tage. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ihr mit mir umzieht. Das ist auch gleichzeitig eine gute Möglichkeit zu testen, wer von meinen Followern immer aktiv ist und wen es vielleicht auch schon nicht mehr interessiert. Der wird dann vermutlich auch nicht mit mir umziehen.

Strausberger Platz

Hier hat sich der NRC ein Nest gebaut. Die Mitte des Kreisverkehrs wurde kurzerhand vom NRC besetzt und war vom Bahnhof gut zu erkennen. Um 8:30 Uhr trafen sich alle Runner und nach und nach füllten sich auch die Plätze ringsherum. Die Atmosphäre war super. Bislang habe ich die Erfahrung nur aus der Sicht der „Anfeuerer“ machen können, stand also nicht abseits der Strecke sondern mittendrin und habe die ganzen fleißigen Läufer motiviert. Das letzte Mal war damals zum Berliner Marathon. Da hätte ich niemals gedacht, dass ich nicht einmal ein Jahr später selbst meinen ersten Halbmarathon laufen würde. Wer diesen Blog hier aufmerksam verfolgt hat weiß, dass ich meinen Spatenstich am 6.12.2015 hatte. Das war der Tag der Anmeldung für den 36. Berliner Halbmarathon. Jetzt war ich also hier, am Strausberger Platz, zwischen ganz vielen anderen tollen Läufern – und ich war einer von ihnen. Wahnsinn. Wer hätte das gedacht?

Warmup

Wenig später hielt Jan Fitschen eine Ansprache. Der Brunnen im Hintergrund war toll… und laut… Ich habe Jan jedenfalls nicht verstanden. Aber was soll’s. Als sich die Menge in Bewegung setzte, lief ich einfach hinterher. Nach einer Runde durch die kleinen Straßen ging es wieder zum Ausgangspunkt zurück und gleich weiter mit den Dehnübungen. Auch hier konnte ich mich nur nach dem Stille-Post-Prinzip orientieren. Ich habe einfach nachgemacht, was die Runner vor mir vormachten. Jan zeigte zwar auch alles nochmal (und fiel dabei fast einmal in den Brunnen), aber sehen konnte ich es nicht komplett. Egal, hat ja auch so geklappt. Im Anschluss gab es letzte Instruktionen und die „Personal Pacer“ stellten sich vor und nannten dabei auch gleich ihre Zielzeit und wer sie „gewonnen“ hat, also mit welchem Runner sie laufen würden.

Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann

Jeder durfte sich frei fühlen bei den Personal Pacern und deren Athlet mitzulaufen, sich also quasi an dessen Fersen zu heften. Allerdings waren die meisten Zeiten für mich noch zu krass. Also fragte ich mich irgendwie, was ich da machen könnte. Also fragte ich überall und (n)irgendwo, wer noch andere Zielzeiten läuft, bis ich auf Sven stieß, der mit einer Mediengruppe (nähere Informationen sollten später folgen) lief und eine Zielzeit von 2 Stunden anpeilte. Eigentlich genau mein Tempo, prima. Ich frage ihn, ob ich irgendwann dazustoßen könnte oder evtl. gleich mit ihm mitlaufen könnte. Er meinte das es kein Problem wäre und alles war schick. Nachdem ich meine Bestimmung für den heutigen Lauf also festgesetzt habe, drängte die Zeit auch langsam.

Notwendiges Übel

Nun ging es also rein ins Getummel. Am Eingang standen ca. 10 Dixi-Toiletten und ungefähr 200x so viele Runner, die unbedingt nochmal auf Toilette mussten. Gut, dass es draußen noch einen Park um die Ecke gab… Ich habe da ein paar Vögel beobachtet und musste plötzlich nicht mehr pinkeln. Hätten auch andere drauf kommen können. Naja. Jedenfalls teilten wir uns jetzt auf. Die eine Hälfte stellte sich an den Dixis an, die andere brachte ihre Kleiderbeutel in die Trucks, die offenbar von Höffi gesponsort wurden. Ich weiß auch nicht wie ich darauf komme, aber bei geschätzten 75 Trucks, die alle gleich aussahen und rot lackiert waren, lag das irgendwie auf der Hand. Spätestens der Schriftzug „Höffner“ bot dann Klarheit 😀

Jetzt aber schnell…

Die erste Welle startete in sieben Minuten und wir waren noch nicht auf dem Weg zu unserem Startblock. Schnell noch auf die letzten gewartet und los ging es. Wir traben langsam an Block F vorbei und passierten dabei unzählige weitere Dixi-Toiletten und – ich muss es ja sicher nicht mehr erwähnen – noch mehr Runner, die das Etablissement noch einmal gerne besucht hätten bevor es losging. Block E, Block D… Da waren wir. Noch schnell über den Zaun geklettert und schon wurden aus gefühlten 20 Grad locker 10 Grad mehr. Dicht an dicht gedrängelt konnte ich nun nicht mehr auf meine Uhr gucken, weil ich beim Anheben meines Armes jemand anderen geschlagen hätte 🙂 Glücklicherweise waren wir gleich die zweite Welle, weshalb es ca. 10 Minuten nach dem Startschuss auch für uns los ging.

Kilometer 5

Alles noch schick, die erste Verpflegungsstation kam näher und ich lief locker flockig zum Stand mit dem Wasser, schnappte mir einen Becher und lief entspannt weiter. Der Inhalt des Bechers landete zu ca. 85% in meinem Mund, der Rest schwappte beim Laufen entweder raus oder spritzte beim Versuch aus ihm zu trinken in mein Gesicht. Dafür war die Quote aber super, wie ich finde. Beim nächsten Verpflegungspunkt (Vorsicht Spoiler) sollte sich das aber drastisch ändern. Ich glaube noch lief ich mit Sven zusammen. Auch Nathalie war weiter vorne in den Reihen zu erkennen. Kilometer 5 war übrigens der Punkt, an dem ich mich noch relativ gut an alles erinnern konnte. Auch das änderte sich bald und mit jedem Kilometer.

Kilometer 8

„WAS? Ich bin doch schon mindestens weitere 5 Kilometer gelaufen.“ – Diesen Satz hörte ich mich im Verlauf des Rennens noch einige Male und in immer kürzer werdenden Abständen sagen. Ich hangelte mich von Versorgungspunkt zu Versorgungspunkt. Mir schossen sämtliche Gedanken in den Kopf. Ein Gedanke war, wie ich den Halbmarathon vor drei Wochen OHNE einen Milliliter getrunken zu haben überleben konnte und es mir anschließend noch relativ gut ging, während ich hier Rotz und Wasser geschwitzt habe und völlig fertig war. Gut, bei Kilometer 8 noch nicht sooo krass, aber dieser Satz zeigt jetzt eine kleine Tendenz zum restlichen Verlauf  auf. Inzwischen lief ich auch mit Nathalie, Sven fiel zurück, da zwei Runner ihren Lauf abbrechen mussten und er erste Hilfe leistet. Irgendwie war ich jetzt mit Nathalie alleine unterwegs – und das war das Beste, was mir passieren konnte. Ab hier begann eine intensive Hassliebe. Nachdem ich meine Familie am Ernst-Reuter-Platz nicht gesehen habe, knickte meine Motivation etwas ein. Wo war der nächste Verpflegungsstand, verdammt?

Kilometer 10

WASSER!!! Noch klappte es ganz gut mit dem Abholen des Wassers. 85% des Wasser landeten immer noch in meinem Mund, also alles unverändert. Nicht ganz. 85% von 50% Wasser landete in meinem Mund, mit einem Teil wässerte ich mein Gesicht und der andere Teil landete irgendwo anders. Es war heiß! Hatte ich es schon erwähnt? Wenn nicht, dann tue ich es jetzt. Es waren zwar „nur“ ca. 13 Grad, aber gefühlt war es einer der schöneren Sommertage im letzten Jahr. Absolut nicht optimal, wenn man ohnehin schon auf Hochtouren läuft. Aber was soll’s Wozu gibt es Wasser? Da vorne kommt Kilometer 11 und somit die Kurve auf die – zugegeben – etwas längere Zielgerade, oder nennen wir es mal nett umschrieben „den Rückweg“.

Kilometer 13

Wir befinden uns nun auf dem Kurfürstendamm und es nicht mehr weit bis zur Gedächtniskirche. Den zweiten Punkt, an dem ich meine Familie erwartet habe. Hier ging es mir nun nicht mehr sooo gut. Kurz vor Kilometer 14 rief Nathalie dann „FLO!!!“ und zeigte mit dem Finger auf ein Schild „Go Flo“, welches im schönsten Volt-Gelb erstrahlte. Da standen sie. Offenbar hatte ich noch genug Kraft zu winken und ganz kurz zu lächeln. Ich habe mich gefreut wie ein Honigkuchenpferd nachdem es ein anderes Honigkuchenpferd verprügelt und anschließend gegessen hat. Ein paar Meter weiter dann kam noch die tolle Gelzone. Aufgerissen, eingeflößt, für eklig empfunden, und die Verpackung weggeworfen. Übrigens habe ich mich jedes Mal schwer getan meine Becher und Verpackungen einfach so auf die Straße zu werfen. Ich bin eigentlich ein sehr umweltbewusster Mensch der viel Wert auf Nachhaltigkeit legt – auf der anderen Seite musste ich jetzt mal den Pragmatismus siegen lassen. Hätte komisch ausgesehen, wenn ich die Plastikbecher gestapelt in den Händen führend bis ins Ziel getragen und dort abgegeben hätte, oder? Siehste…

Kilometer 16

Ab hier begann Nathalie immer mehr mit mir zu reden und meinen Namen immer wieder zu wiederholen. Und mit immer wieder meine ich IMMER WIEDER. Bis zum Ziel habe ich ihn bestimmt noch weitere 50 Male gehört. Das was sich auf Kilometer 8 erst anbahnte, war nach weiteren acht Kilometern zu einer echten und ausgewachsenen Hassliebe entwickelt – und das ist, weshalb ich so unendlich dankbar bin, das Nali mir nicht von der Seite gewichen ist. Sie meinte, dass sie mich zur Not ins Ziel tragen würde und das sie auf jeden Fall nicht ohne mich weiterläuft. Immer wieder hat sie aus meinen „Nali *hechel hechel*, es tut mir leid, aber ich KANN NICHT MEHR“ ein „DU KANNST“ gemacht. Sie war mein Benzin im Motor, sie war mein Wind in den Segeln, sie war meine Personal Pacerin! Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich war wohl von allen Personal Pacern die mitgelaufen sind der anstrengendste Athlet. Was sie vollbracht hat war meisterhaft.

Kilometer 19,5

Fast im Ziel. Wären da nicht immer diese Steigungen. Ich glaube da habe ich auch meine Antwort auf die Frage gefunden, warum ich bei diesem Halbmarathon deutlich fertiger war als bei meinem Trainingslauf. Auch wenn Berlin sehr flach ist und die Strecke zu einer der weltweit beliebtesten Strecken zählt, einige Steigerungen hat sie doch – und die haben mir unglaublich zu schaffen gemacht. Mittlerweile hat sich aus der Hassliebe zu Nali der Hass herauskristalisiert, Liebe konnte ersatzlos gestrichen werden. Da half auch kein NRC-Cheering-Team mehr und auch nicht Nalis (erfolgreicher) Versuch noch etwas trinkbares aus dem Cheering-Team zu besorgen. Der Zug war abgefahren. Als die Sirene von hinten erklang und aus dem Cheering-Team dann nochmal zweimal Wasser geliefert wurden, hat sich wieder einmal gezeigt, dass mit dem NRC zu laufen ein Privileg ist. In diesem Moment habe ich mich nicht als Runner gefühlt, sondern als Teil einer großen Familie. Wenn ich daran zurückdenke muss ich Thomas nochmal ganz kräftig auf die Schulter klopfen und ihn für den Tipp danken doch mal beim NRC mitzulaufen.

Kilometer 21

Noch 100 Meter!!!!!!!! Nur noch „fucking“ 100 Meter. „Einfach schlucken“ und durch 😉 Am rechten Straßenrand stand noch einmal meine Familie, was mich die letzten Meter noch einmal richtig motivierte. Die letzten paar Meter war ich dann komplett weggetreten und Nali flog elfengleich neben mir her und jedes Mal wenn ich sie ansah entflammten die Feuer des Hasses in meinen Augen. Ein Satz drang dann aber doch noch zu mir durch, als sie sagte „Dein erster Halbmarathon, Flo, du hast es gleich geschafft“.

GESCHAFFT!!!!

Plötzlich war alles vorbei und ich super erleichtert. Ich fiel Nali sofort in die Arme. Ich wollte gar nicht mehr loslassen. Es war einfach richtig schön es geschafft zu haben. Ich glaube, ich habe auch ein bisschen fest gedrückt. Sven war als nächster dran. In den nächsten Minuten wurde ich komplett verwöhnt. Ich musste mir nichtmal das Wasser selber holen. Nali ging los, holte mir Wasser, Taxofit, Bananen, Erdinger Alkoholfrei und stellte sich noch mit mir für die Medaillengravur an bis sich dann doch unsere Wege trennten. Ein paar Meter weiter dann in die nächste Schlange zur Urkunden-Abholung und wieder ein paar Meter weiter zur Chipabgabe. Dann noch den Kleiderbeutel von Höffi abgeholt und raus aus der Menge. Jetzt folgte der schönste Teil. Ich konnte mich mit meiner Liebsten treffen und mit meiner Familie zusammen nach Hause fahren.

Was für ein Tag………

10 Kommentare zu “36. Berliner Halbmarathon (und der NRC)

    • Dem Hals ging es an dem Tag wunderbar – lag wahrscheinlich an der Aufregung. Das Event war aber auch sehr atmosphärisch, da blieb einem gar nichts anderes übrig als nicht daran zu denken 😀

      Gefällt 1 Person

    • Allerdings. Die letzten Kilometer waren wirklich eine Qual – aber ich hatte das Glück eine Pacerin neben mir zu haben, die mich immer wieder gedrillt hat. Nächstes Jahr wird die Zeit besser – und auch meine Kondition 🙂

      Like

  1. Toller Artikel!! Nali ist auch eine meiner lieblingspacer 🙂 Toll, dass ihr zusammen laufen konntet! Herzlichen Glückwunsch zum ersten Halbmarathon. Gestern war auch mein erster Halbmarathon (ich hatte übrigens einen Personal Pacer der mich unter 2:30 ins Ziel bringen sollte, was auch 1a geklappt hat) und als ich gerade deinen Beitrag gelesen habe, habe ich wieder Gänsehaut bekommen!! Ganz toll!!! 🙂

    Gefällt 1 Person

    • Vielen Dank für dein Lob, der Artikel schrieb sich quasi wie von selbst. Du kannst das sicher nachvollziehen, wenn du den Halbmarathon mitgelaufen zum ersten Mal gelaufen bist. Unter 2:30 Stunden ist eine super Zeit, gratuliere! Willst du denn nochmal einen laufen?

      Like

  2. Ich fand es wahnsinnig spannend von deinen Erfahrungen zu lesen. Ich persönlich bin noch nie mehr als 10 Kilometer am Stück gelaufen (okay, im Moment gar nicht mehr :D) und ein Halbmarathon war für mich immer eine gewaltige Mammut-Aufgabe, vor der ich auch heute noch zurückschrecken würde. Oft habe ich mich gefragt, wie es den Menschen WIRKLICH geht, die so etwas machen. Da danke ich dir sehr herzlich für deinen Einblick! Und glaub bloß: Mich wirst du auch in Zukunft nicht los. Ich freue mich schon sehr auf deine neue Domain und warte schon sehnsüchtig auf den Link!

    Like

    • 10k am Stück zu laufen ist doch aber auch schon eine gute Leistung. Dafür muss man auch schon ein bisschen trainieren, wenn einem die Zeit nicht ganz egal ist. Ich glaube, ich bin keine gute Referenz für das Befinden der Läufer beim Halbmarathon. Ich habe auf der Strecke Menschen gesehen, die doppelt so alt waren wie ich und die Distanz ganz locker gelaufen sind 😀 Den Link habe ich gerade gepostet. Schön, dass du mir treu bleibst 😉 Vielen Dank!

      Like

Vielen Dank für deinen Kommentar!